Was ist eine Beschwerde ?

Was ist eine Beschwerde und warum benötigen Psychiatrie-Erfahrene besondere Unterstützung bei Beschwerden?

Zu einer Beschwerde gehört:

  • Leidensdruck

  • dass sich jemand verletzt, benachteiligt oder ungerecht behandelt fühlt

  • dass jemand starkes Missfallen an äußeren Bedingungen/Zuständen oder Verhaltensweisen äußert

  • der Wunsch des Betroffenen, die Bedingungen, Zustände oder Verhaltensweisen zu ändern

  • das Ziel, eine Wiedergutmachung eines Schadens, eine Entschuldigung für persönliches Fehlverhalten oder die Verbesserung eines Zustandes


Beispiel: Die Bewohnerin eines sozialpsychiatrischen Wohnheimes beschwert sich beim Leiter, dass der Hausmeister einfach in ihr Zimmer gekommen sei und ein Loch durch die Wand in das Nachbarzimmer gebohrt habe, ohne sie zu fragen oder zu informieren. Ein Ausgleich entsteht dadurch, dass der Wohnbereichsleiter und der Hausmeister sich bei der Bewohnerin entschuldigen und ihr ausführlich erklären, warum dieses Loch benötigt wurde. Als Konsequenz wird der Fall in der Teamsitzung besprochen und eine Anleitung entwickelt, wie die Mitarbeiter in solchen Fällen vorzugehen haben.


Notwendigkeit besonderer Unterstützung bei Beschwerden in der Psychiatrie:

In manchen Bereichen der Gesellschaft herrscht ein großes Machtgefälle zwischen denen, die eine Leistung erbringen und denen, die die Leistung annehmen (müssen). Um einen Missbrauch der Macht zu vermeiden, gibt es verschiedene Kontrollinstanzen.

Gerade im Bereich der Gesundheitsfürsorge besteht oft keine Möglichkeit, sich die Personen auszuwählen, mit denen man als Patient zu tun hat. Oder man ist nur unzureichend über die Rechte oder die Behandlungsmöglichkeiten informiert. Deshalb hat der Gesetzgeber gerade auch in diesem Bereich verschiedene Kontrollinstanzen vorgeschrieben, die man kostenlos nutzen kann, wenn man sich über einen Missstand beschweren möchte.

Der Umgang mit Beschwerden ist ein Qualitätsmerkmal jeder Einrichtung!

Menschen mit einer psychischen Erkrankung sind in Konflikten mit psychiatrischen Einrichtungen in der Regel stärker benachteiligt, als seelisch gesunde Menschen. Neben der rechtlichen Möglichkeit, psychisch erkrankten Menschen per Gesetz Persönlichkeitsrechte zu entstehen besteht oft meist noch eine Abhängigkeit vom Wohlwollen des Personals, die zur Konfliktvermeidung der Betroffenen führt. Krankheitsbedingte Überforderung in Konflikten, mangelnde Rechtskenntnis und eine negative Erwartungshaltung erschweren es Psychiatrie-Erfahrenen zusätzlich, selbst die Initiative zu ergreifen, wenn sie sich schlecht behandelt fühlen. Eine Unterstützung durch unabhängige Personen oder Institutionen führt deshalb zu größerem Selbstvertrauen der betroffenen Personen.


Beispiel: In einer größeren Stadt gibt es als besonders niedrigschwelliges Wohnangebot sogenannte „Hotel Plus“. Eine Bewohnerin eines dieser Hotels beschwert sich bei der Beschwerdestelle darüber, dass in dieses – im Rotlichtbezirk der Stadt gelegenes – Hotel Plus bei Tag und Nacht plötzlich Freier vor der Tür ihres Zimmers stehen, die Prostituierte suchen. Der Zugang ist wohl rund um die Uhr unkontrolliert möglich. Weil sie sich dadurch stark verunsichert fühlt, möchte sie in ein anderes Hotel Plus ziehen, das in einem anderen Stadtteil gelegen ist. Der Hausleiter hat ihr aber gesagt, sie könne nicht umziehen, für das andere Hotel liege eine lange Warteliste vor. Zusätzlich beschwert sich die Bewohnerin darüber, dass das Treppengeländer schon seit längerem kaputt sei, unter anderem fehle ein Stück des Handlaufs. Außerdem ist zum Teil die Beleuchtung auf dem Flur defekt und es schimmelt in ihrem Zimmer. Der Hausleiter habe auf ihre diesbezüglichen Beschwerden gesagt, das bilde sie sich nur ein, das sei krankheitsbedingt! Nachdem die Bewohnerin ihm mitteilt, dass sie sich bei der Beschwerdestelle beschwert hat, kann sie ganz plötzlich doch ein Zimmer im Wunsch-Hotel beziehen. Die Beschwerdestelle geht allerdings auch den anderen Beschwerden (auf Wunsch der Bewohnerin) weiter nach und erstellt, nach einem Besichtigungstermin und einem Gespräch mit einem Mitarbeiter des Hotels, ein Anschreiben an das Ordnungsamt der Stadt, in dem die Missstände geschildert werden.

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